Fachwerk

Holzbaukunst


Fachwerk und Holzkonstruktionen sind auch im Modellbau Bereiche mit grossen Ansprüchen, bei denen man grosse Sorgfalt walten lassen sollte, soll es wohl geraten. Ob es sich dabei um ein einfaches Fachwerkhaus oder um eine komplexe Konstruktion handelt, ist bis zu dem Zeitpunkt bedeutungslos, wo es an das Bauen geht, also die Umsetzung eines bestimmten Vorbilds in ein maßstäbliches Modell.

Grundstein Literatur
Zunächst habe ich viele Fachbücher über Fachwerkbau, Holzkonstruktionen und Fensterbau angeschafft und ausgiebig gelesen, um mich nicht nur beim Modellbauen alleine schadlos zu halten. Das alles möchte ich hier in komprimierter Form zur Anregung vorstellen, weil ich zu glauben weiß (räusper), worauf es bei der Erstellung einer Fachwerkkonstruktion im Modell ankommt.


Fachwerkbau    l    Grundzeichnungen

Die gezeigten Beispiele sind allesamt Bauwerke der fränkischen Höllentalbahn, die auch heute noch mit wenigen baulichen Änderungen vorzufinden sind. Ihre Rekonstruktionen entstanden grundsätzlich nach Originalmaßen oder nach bemaßten Originalplänen, stets unter Berücksichtigung der fachliterarischen und handwerklichen Sachlichkeit. Lediglich die Rekonstruktion des Nebengebäudes fußt auf Aufnahmen von Paul König und auf den Maßen des rudimentären Fundaments, welches heute noch in Lichtenberg vorzufinden ist. Man muss allerdings aufmerksam danach suchen! Das Nebengebäude in der Station Hölle war lediglich gedreht und gespiegelt, aber im Grundriss gleich.

Wenn sich ein Leser für den Nachbau eines bestimmten Bauwerks entscheiden sollte, bleibt es diesem unbenommen, den Grad der Detailausführung festzulegen. Ich gebe aber zu bedenken, dass ein Modellgebäude mit hohem bis sehr hohem Detaillierungsgrad immer ein Blickfang ist, und sich wohltuend vom «Durchschnitt» abhebt. Ist es nicht genau das, was man als Modellbauer stets anstrebt, und uns mehr oder weniger antreibt?

Die nachfolgenden Abbildungen sollen Anregung für maßstäblichen Modellbau sein. Es würde mich außerordentlich freuen, wenn ich den einen oder anderen Eisenbahnmodellbauer auf diese «Schiene» heben könnte.


Bauform I    l    Stationsgebäude Lichtenberg

Bild 5.1
Südansicht Station Lichtenberg um 1905.


Bild 5.2
Westansicht Lichtenberg um 1905.


Bild 5.3
Nordansicht Station Hölle um 1905.


Bild 5.4
Westansicht Station Hölle um 1905.


Bild 5.5
Station Hölle mit Nebengebäude in maßstäblicher Anordnung.


Die oben dargestellten Illustrationen zeigen die beiden Stationsgebäude von Lichtenberg und Hölle zum Zeitpunkt der Streckeneröffnung am 15. August 1901 in ihrer Urform. Mit der Erhebung von einer Lokal- zu einer Nebenbahn erfolgten Erweiterungen in den Jahren 1908 und 1937 nochmals in Lichtenberg.


Bauform II    l    Stationsgebäude Lichtenberg nach Erweiterung 1908

Bild 5.6
Westansicht Station Lichtenberg um 1925.


Bild 5.7
Ostansicht Station Lichtenberg um 1925.


Bild 5.8
Westansicht Station Hölle um 1925. Das Fenstergitter am Dienstraum
wurde erst 1935 installiert, ebenso in Lichtenberg.


Mit der Erhebung von einer Lokalbahn zu einer Nebenbahn im Jahr 1907 musste im Güterbereich eine Erweiterung durchgeführt werden, um der Mehrbeförderung gerecht zu werden. Nach der Erweiterung zeigte sich das Stationsgebäude Lichtenberg in der hier gezeigten Form. Zeitgleich wurde auch die Station Hölle entsprechend erweitert. Der Gitterschutz am Dienstraum wurde erst 1937 installiert, ebenso in Lichtenberg.


Bauform III    l    Stationsgebäude Lichtenberg nach Erweiterung 1937

Bild 5.9
Westansicht Station Lichtenberg um 1950.

Im Jahre 1937 erfuhr das Stationsgebäude Lichtenberg umfangreiche Erweiterungen und Änderungen in den Bereichen Güterboden und Wartesaal. Der Güterboden wurde dabei um 4 Meter erweitert und unterkellert. Der Wartesaal wurde um ganze 2 Meter erweitert und die Tür zu einem Fenster umgebaut, indem man das untere Teil einfachabsägte und einen Riegel einsetzte. Die neue schmälere Eingangstür wurde in die nördliche Giebelseite eingebaut, wo sich diese auch heute noch befindet. Nach der Stilllegung der Strecke ersetzte man die gleisseitige Eingangstür durch ein großes Fenster und nur die zweite Eingangstür blieb da, wo sie sich heute noch befindet.


DWG    l    Dienstwohngebäude Lichtenberg

Zur Wahrung von betrieblichen Aufgaben wurde dem zuständigen Bahnpersonal Wohnraum in einem so genannten Dienstwohngebäude zur Verfügung gestellt, mit einem Dienstraum im Dachgeschoss (siehe Bild 5.10).

Bild 5.10
Dienstwohngebäude Lichtenberg mit Lagergebäude, in
dem Brennstoff und Kleinigkeiten für den täglichen
Gebrauch im Haushalt aufbewahrt wurden. Am Lager
befand sich auch ein kleines Abort.


Laderampe    l    Planung und Umsetzung

Das Planen und Umsetzen von bestimmten Gegebenheiten, wie z. B. der Güterrampe an der Station Lichtenberg, ist so 'ne Sache. Zunächst sieht das alles auf der Zeichnung relativ harmlos aus, aber beim Modellbauen zeigen sich dann allerdings Probleme, die allesamt auf den verwendeten Materialien beruhen. Mal fehlt hier ein Zehntel, mal da ein Zehntel, was sich aus Schwankungen bei den Stärken von Holzleisten ergibt und sich in der Addition nachteilig auswirkt. Gerade bei der Verwendung von Modellbauleisten aus Kiefer oder Linde, welche bei meinen fine scale Modellen definitiv keine Chance zur Anwendung finden, sind die Schwankungen beträchtlich. Meine Modellbauleisten habe ich vor über 15 Jahren bei einem befreundeten Schreinerbetrieb aus gedämpfter Buche auf Vorbildmaß fräsen lassen, die allesamt - bis auf drei, vier Stück von reichlich hunderten, heute noch bolzengerade sind. Im Grunde genommen war das nicht teurer als das Kaufen im Fachgeschäft; allerdings gibt es in Fachgeschäften oder Online-Shops nur konfektionierte Ware mit festen Maßen und keine mit maßstäblichen Abmessungen!
Was es zu beachten gilt, wenn man Modelle bauen möchte, so wie ich es tue, zeigen nun die nachfolgenden Zeichnungen, Legenden und Fotos.

Bild 5.11
Laderampe Station Lichtenberg im Jahr 1979
Foto: Dieter Brandl (Mit freundlicher Genehmigung)


Bild 5.12
Detailstudie Doppelzange an der Laderampe.


Bild 5.13
Konstruktion der Sprengwerke für die Rampe als Modell.


Bild 5.14
Fertige Rampenkonstruktion bei der Station Lichtenberg.


Bild 5.15
Detailstudie linker Hand auf der Rampe: Verbindung Pfette
(oder auch Rähm) der Rampenkonstruktion mit dem Fachwerkbau.


Bild 5.16
Exakte Konstruktionszeichnung der Schiebetüren nach Originalmaßen.



Bild 5.17
Der Weg ist das Ziel! Etliches Nachmessen, Fotografieren
und Konstruieren waren notwendig, damit eine korrekte
Umsetzung der Vorbildsituation im Modell gewährleistet ist.


Sprengwerke    l    Konsequent nach Vorbild gebaut

Sprengwerke sind wichtige statische Elemente im Fachwerkbau, wenn es darum geht, große Distanzen zu überbrücken und gleichzeitig Lasten aufzufangen und zu verteilen. Und wie beim Vorbild können auch im Modell derartige Konstruktionen exakt diese Funktionen übernehmen, wenn man in sehr großem Maßstab baut. Das erfordert Kenntnisse im Fachwerkbau, oder solche eines Zimmermanns, damit sich später das Modell nicht verziehen kann. In diesem Punkt habe ich auch Lehrgeld bezahlen, was allerdings am Material lag. In diesem Fall war es eine Schwelle, die einfach die Biege machte und dadurch eine ganze Giebelseite nachhaltig verzogen hatte. Ich hatte das Pech aus dem zuvor 2 Jahre lang trocken gelagertem Material einen «Spätentwickler» zu greifen. Also, das Ganze noch einmal.
Einen guten Rat für das Gelingen von Fachwerkbauten: Immer nur gedämpftes Buchenholz verwenden und vor der Verarbeitung mindestens 2 Jahre an einem trockenen Ort ungestört lagern. Kieferholz und Lindenholz sollte man nur für Kleinbasteleien verwenden und niemals für fine scale Modellbau. Außerdem lässt sich Buchenholz aufgrund seiner Härte exakt fräsen, was bei Kiefer- oder Lindenholz wegen seiner Weichheit nicht möglich ist. Genug der Worte, gehen wir an's Werk.

Bild 5.18
Sprengwerk im Bereich Dienstraum. Das Foto zeigt
auch den Spannriegel unterhalb der Stuhlpfetten.
Foto: Dieter Brandl (Mit freundlicher Genehmigung)


Bild 5.19
Im Vordergrund erkennbar das Sprengwerk der zweiten Erweiterung
und rechts das Sprengwerk der ersten Erweiterung. Die Sprengwerke
haben die jeweiligen Giebelseiten ersetzt.
Foto: Dieter Brandl (Mit freundlicher Genehmigung)


Bild 5.20
Konstruktion des Sprengwerks, welches bei der ersten Erweiterung notwendig wurde.
Bauform II - 1908


Bild 5.21
Konstruktion des Sprengwerks von der zweiten Erweiterung (Bauform III),
bei welcher auch eine Unterkellerung vorgenommen wurde. Zusätzlich zum
Spannriegel wurden die Stuhlsäulen durch Doppelzangen gesichert.


Bild 5.22
Das Sprengwerk macht sich als Modell dank konsequenter Planung
und Sorgfalt beim Modellbauen sehr gut. Bis zum Einbau des Sprengwerks
wirkte die zwischen den Säulen am Boden erkennbare Holzleiste einem
Verzug entgegen (eingebautes Sprengwerk siehe Revision).


Holzkonstruktion    l    Pfette - Sattelholz - Kopfband

In diesem Kapitel stelle ich in kurzer Abhandlung die korrekte Umsetzung von Pfetten (Rähm), Sattelhölzern und Kopfbändern vor, was anhand von Fotos vom Vorbild und Zeichnungen für den Modellbau leicht umsetzbar ist. Los geht's!

Bild 5.23
Detailstudie 1
Konstruktion Freigebinde am Dienstraum der Station Lichtenberg:
vorne Sattelholz mit Kopfband, hinten Rahmenpfette mit Kopfband.


Bild 5.24
Zeichnung zu Detailstudie 1
Generelle Ausführung der Verbindung Rähm mit
Säule und Kopfband bei aufgedoppeltem Fachwerk.


Bild 5.25
Detailstudie 2
Sattelholz und Kopfband, verbunden mittels Holznagel. Da es sich
um ein Sattelholz handelt, ist dieses mithilfe eines Eisenbandes
mit dem Fachwerk zusätzlich gesichert.


Bild 5.26
Zeichnung zu Detailstudie 2
Bei einem Freigebinde wird ein so genanntes Sattelholz notwendig,
welches mit Hilfe eines Eisenbandes zusätzlich gesichert wird.


Holzkonstruktion    l    Dachstuhlaufbau

Manche Modellbauer befinden, dass der komplette Aufbau eines Dachstuhls im Modell gar nicht notwendig sei, weil man ihn ja ohnehin nichts davon sehen würde. Diese Sichtweite mag für die kleinen Baugrößen wie H0, TT oder N stimmen, jedoch nicht ab Null aufwärts. Ab der Baugröße Null zählt jedes Detail und der exakte Nachbau des Dachstuhls sowieso. Aber das muss jeder für sich entscheiden, wie hoch er das Maß der Detaillierung setzen möchte. Jedenfalls besitzen alle meine Modellbauten einen kompletten Dachstuhl, egal, ob man ihn sieht oder auch nicht. Das Ganze muss vor meinem «geistigen« Auge unbedingt Bestand haben.

Bild 5.27
Querschnitt und Aufbau vom Dachstuhl der Station Lichtenberg.
Die sichtbare Tür ist der Zugang zum Abstellraum, wo sich .u.a.
Brennstoffe zum Heizen und Spinde befanden.
Bauform II - 1908


Bild 5.28
Grundriss der Station Lichtenberg mit rekonstruiertem Dachstuhl.
Die Eindeckung erfolgte mit Doppelmulden-Falzziegel.
Bauform II - 1908



Alle Planungen, Rekonstruktionen, Fotos, Zeichnungen und Modellbau: Horst Wilhelm Bauer

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